Schildkröten vermehren sich in Menschenobhut
Wichtige Vorbemerkung: Es ist mir leider nicht mehr möglich, Rot- und Gelbwangenschmuckschildkröten oder sonstige "Exoten" unterzubringen oder zu vermitteln.
Seit 1983 züchte ich Europäische Sumpfschildkröten und Europäische Landschildkröten. Ein ausführlicher, bebilderter Zuchtbericht erschien in der DATZ (Hemmer, W. (1984): Nachzucht Europäischer Sumpfschildkröten und praktischer Artenschutz für Amphibien im Gartenteich. – DATZ, 37 (9):350–354).
Daneben gelang mir die Zucht von Nordamerikanischen Sumpfschildkröten (Emydoidea blandingii), Nordamerikanischen Waldbachschildkröten (Clemmys insculpta), Rotwangen-Schmuckschildkröten (Trachemys scripta elegans), Gelbwangen-Schmuckschildkröten (Trachemys scripta scripta), Westlichen Zierschildkröten (Chrysemys picta bellii), Falschen Landkarten-Höckerschildkröten (Graptemys pseudogeographica), Schnappschildkröten (Chelydra serpentina, mittlerweile nicht mehr erlaubt), Kaspischen Bachschildkröten (Mauremys rivulata), Chinesischen Weichschildkröten (Trionyx sinensis), Vierzehen-Landschildkröten (Agrionemys horsfieldii), Griechischen Landschildkröten (Testudo hermanni boettgeri) und seit vielen Jahren regelmäßig von griechischen Breitrandschildkröten (Testudo marginata).
Über mehrere Jahre bis 2014 habe ich mit sehr gutem Erfolg Westliche (oder auch Indianer-) Zierschildkröten (Chrysemys picta bellii) bei ganzjähriger Freilandhaltung gezüchtet. Die einzelnen ausgewachsenen Weibchen legten mindestens zwei, mitunter sogar drei Gelege von im Schnitt 8-12 weichschaligen Eiern. Legebeginn meist Mitte-Ende Mai. Abstand zwichen den Gelegen meist 23-28 Tage. Letzte Gelege noch Anfang August. Alles andere entspricht in etwa der Zucht Europäischer Sumpfschildkröten. Vegetarische Beikost muss immer angeboten werden. Die farblich sehr attraktive Art ist friedlich zu den anderen Arten, jedoch vertragen sich adulte Männchen untereinander schlecht.
Inzwischen habe ich die Artenzahl stark reduziert und züchte zur Zeit nur noch Europäische Sumpfschildkröten und Breitrandschildkröten in kleiner Anzahl.
Ich halte dazu seit 2012/13 wieder eine Gruppe Kaspische Bachschildkröten (Mauremys rivulata) ganzjährig, mit Ziel der Zucht, im Freilandterrarium (Biotopteich). Erfahrungsaustausch dazu sehr erwünscht!
EUROPÄISCHE SUMPFSCHILDKRÖTEN
Meine Zuchtgruppe Sumpfschildkröten halte ich in drei größeren Teichen ganzjährig im Freiland.
Im Frühjahr, gleich nach der Winterruhe, beginnen, meist von März bis Mai, die Paarungsaktivitäten unter Wasser. In der Junimitte sitzen die Weibchen oft längere Zeit an den von Ihnen ausgewählten Eiablageplätzen an Land und zeigen dann eine auffallend geringe Scheu. Nach einigen Tagen, manchmal in den Mittagsstunden, meistens jedoch am Abend, beginnen sie mit dem Ausheben der birnenförmigen, ca. 8–9 cm tiefen Nistgrube.
Da ich die Ufer meiner Anlage stark von Pflanzen überwuchern lasse, fällt es relativ leicht, die wenigen, von mir pflanzenfrei gehaltenen, besonnten Erdhügel als Eiablageplätze vorzuhalten. Harte Erde wird von den Weibchen mit Wasser aus den Analblasen aufgeweicht und grabbar gemacht.
Die Tiere kennen diese Stellen und suchen sie fast jährlich wieder zum Legen auf. Erst einmal, 2004, (inzwischen mehrfach) gelangen mir Nahaufnahmen dieses Vorgangs. Die Anzahl der weißen, hartschaligen und länglichen Eier eines Geleges reicht von durchschnittlich 6–9 bis maximal 16 Eiern. Nach dem Ablegen wird die Grube behutsam mit den Hinterbeinen mit der ausgehobenen Erde wieder abgedeckt und dem Gelände angepasst. Meine Tiere erzeugen nur ein Gelege pro Jahr.
Stets entnehme ich die Eier vorsichtig mit dem Teelöffel, markiere sie an der Oberseite mit Datum und einem Bleistiftkreuz und verbringe sie in Inkubatoren der Fa Jäger (FB-80). Übersehene Gelege kamen bei mir noch nie zum Schlupf, solches ist mir aber von befreundeten Schildkrötenzüchtern mehrfach berichtet worden.
Da ich mehrere Brutapparate benutze, kann ich mit verschiedenen Temperaturen bebrüten und dadurch eine weitgehende Festlegung der Geschlechter erzielen. Als ich bei den Emys mehrfach einen kompletten Jahrgang bei 32,5° C. inkubierte, stellte sich nach dem dritten Jahr heraus, dass tatsächlich kein einziges Männchen dabei war.
Die Jungtiere werden, wie in den nebenstehenden Aufzuchttipps beschrieben, herangezogen. Ich plane, demnächst mit frisch geschlüpften Jungtieren eine Freilandhaltung bereits ab dem ersten Sommer durchzuführen.
In diesem Falle sollte die Anlage jedoch gegen Fressfeinde mit einem Netz gesichert werden.
BREITRANDSCHILDKRÖTEN
Die Landschildkröten gebe ich zwischen Ende März bis Ende April in die Freilandanlage mit beheizbarem Schutzhaus.
Bei den Breitrandschildkröten ist es ebenfalls so, dass die Tiere eine vegetationsfreie Stelle, den so genannten Legehügel, zum Bau der Legegrube aufsuchen. Dies kann bereits zwischen Ende Mai bis Ende Juni geschehen, fast immer bei schwülwarmer Witterung, oft vor einem Gewitter. Die Zweitgelege sind meist bis Mitte Juli abgesetzt. Die Gelegegröße schwankt zwischen sechs bis 11 Eiern.
Innerhalb 28 Tagen setzen die meisten meiner vier Weibchen bereits das zweite Gelege ab.
Da ich auch drei Männchen in der Gruppe habe, kann ich ohne weiteres blutsfremde Nachzuchtpaare zusammenstellen. Zu welchem Prozentsatz hier die Methode der temperaturabhängigen Geschlechtsfixierung zum Tragen kommt, muss sich aufgrund der längeren Dauer bis zur Geschlechtsreife erst noch herausstellen, ich gehe aber auch hier von einem gewissen Erfolg der Methode aus, bei den von mir derzeit gewählten Inkubationstemperaturen von 28° C. und 32,5° C.
PROBLEME UND ERFAHRUNGEN
Leider ist es so, dass auf Grund von Kälteperioden manche Gelege der Sumpfschildkröten einfach ins Wasser abgesetzt werden und damit verloren sind. Auch die Breitrandschildkröten legen ihre Eier während der „Schafskälte“ oft einfach auf dem nackten Erdboden ab, und diese werden dann oft von den Tieren unbeabsichtigt beschädigt. Legenot kann bei solcher Witterung vorkommen und muss tierärztlich behandelt werden.
Ich manchen Jahren beträgt der Schlupferfolg nur ca. 60 %.
Momentan bin ich versuchsweise dabei, die Befruchtungs- und Schlupfrate der Gelege zu verbessern, jüngste Erfolge deuten in Richtung verstärkter Kalk- und Vitamingaben bei den Zuchttieren.
Die Vermehrung unserer europäischen Schildkrötenarten in Menschenobhut stellt eine große Bestätigung für den Züchter dar, ist aber unter dem Aspekt der Arterhaltung ebenfalls sehr wichtig. In den Mittelmeerländern beispielsweise stehen viele Schildkrötenpopulationen bereits vor dem endgültigen Erlöschen durch die ungezügelte Biotopzerstörung und Absammeln.
Naturentnahmen, gesetzlich ohnehin längst nicht mehr erlaubt, werden durch Nachzucht unnötig, der Druck auf die natürlichen Restvorkommen wird reduziert. Wichtige Beobachtungen des Fortpflanzungsgeschehens in Menschenhand geben auch Hinweise auf die Schutzbestrebungen im Freiland.
Die Meldung der Nachzuchten an die Züchterverbände, z.B. die AG Schildkröten in der DGHT e.V., sollte selbstverständlich sein.
Nicht zuletzt bestätigen Zuchterfolge die Richtigkeit wie auch die Legitimation unserer Tierhaltung.
Aus diesen Gründen gebe ich im Normalfall auch keine Einzeltiere ab.
Mir persönlich ist es bei aller Routine noch immer die emotionale Erfüllung eines Kindheitstraumes, wenn wieder eine neue Schildkrötengeneration das Licht der Welt erblickt hat.
Literatur
Neue, empfehlenswerte Literatur zum Thema
Thomas Vinke & Sabine Vinke (2004): Vermehrung von Landschildkröten. Grundlagen – Anleitungen – Erfahrungen – Offenbach (Herpeton Verlag Elke Köhler), 189 S., 231 Farbfotos, ISBN 3-936180-07-5. Weitere sehr gute Bücher erscheinen jetzt häufiger.